03. Mai 2022 | Hoping: „Striets Freiheitslehre ist nicht repräsentativ für die deutsche Theologie“
Autor: Regina Einig
Quelle: Die Tagespost
Glaubt man Magnus Striet, so haben wir längst ein Schisma in Deutschland. Wie sehen Sie das?
Mit meinem Freiburger Kollegen bin ich zwar selten theologisch einer Meinung. In diesem Fall aber muss ich Magnus Striet – von dem ich mich immer wieder gerne intellektuell herausfordern lassen – doch Recht geben. Ja, wir haben ein Art Schisma, zwar kein formelles (Kirchenspaltung), sehr wohl aber gibt es tiefgreifende Spaltungen (schismata) in der Kirche (vgl. 1 Kor 1,10).
Die Briefe der Polnischen und Nordischen Bischofskonferenzen sowie der Brief von mehr als siebzig Bischöfen aus Nordamerika und Afrika machen deutlich, dass es Glaubensspaltungen bis hinein in die Gemeinschaft der katholischen Bischöfe gibt, von denen Bischof Georg Bätzing, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz mit einer Rhetorik der Beschwichtigung abzulenken versucht.
Die deutschen Bischöfe selbst sprechen in zentralen Fragen des Glaubens und der kirchlichen Ehe- und Sexualmoral schon länger nicht mehr mit einer Stimme. Eine Mehrheit fordert inzwischen eine substantielle Korrektur in den Bereichen der verbindlichen Lehre von fides et mores – verklausuliert „Fortschreibung“ der Lehre genannt.
Es ist bedauerlich, dass Magnus Striet die internationale bischöfliche Kritik am Synodalen Weg intellektuell nicht ernst nimmt. Denn ähnliche Kritik kommt z.B. auch von so renommierten Kardinälen und Theologen wie Walter Kasper und Kurt Koch, von denen man nicht sagen kann, sie hätten keine Kenntnis von der europäischen Moderne und dem Prinzip der Autonomie.
Striets lapidarer Satz „Dann ist das halt so“ lässt nicht darauf schließen, dass wissenschaftlich arbeitende Theologen in Deutschland ein Schisma allzusehr bedauern würde. Wie repräsentativ ist Striet? Für wen steht er?
Striets Freiheitslehre ist keineswegs repräsentativ für die deutsche Theologie – die Rezeption phänomenologischer, poststrukturalistischer und analytischer Ansätze dürften inzwischen verbreiteter sein. Durchaus repräsentativ scheinen mir aber seine Positionen zu Fragen der Ekklesiologie, der Amtstheologie, der Gender- und Queertheorie sowie der Ehe- und Sexualmoral zu sein.
Von Glaubensspaltungen im strengen Sinne kann man freilich nur sprechen, wenn es so etwas wie verbindliche Lehre gibt, andernfalls existiert ein (Werte-) Pluralismus wie wir ihn von der säkularen Gesellschaft kennen. Spaltungen innerhalb der Kirche scheint Magnus Striet als gleichsam natürliche Folge des spätmodernen (Werte-) Pluralismus zu betrachten.
Was die von Striet angeführte Vielfalt der Evangelien und den Pluralismus unserer säkularen Moderne betrifft, mit dem sich die Kirche konfrontiert sieht, besteht hier historisch doch ein erheblicher Unterschied. Denn in seiner Auswirkung auf die Kirche führt der (Werte-) Pluralismus der Spätmoderne zu Auffassungen über den Glauben, die nicht mehr miteinander vereinbar sind.
Da für Striet Glaubenslehren nur hypothetisch gelten und im Prinzip revidierbar sind, müssen ihn Glaubensspaltungen nicht allzu sehr besorgen. Es widerstrebt aber wohl nicht nur meinem Verständnis des „Katholischen“, Glaubensspaltungen nonchalant hinzunehmen oder gar einzukalkulieren. Doch statt Striet als Person lächerlich zu machen, ist es nötig, sich mit seinen Positionen auseinander zu setzen, mögen manche sie auch als Provokation wahrnehmen.
Striet sieht sich wie die Aufklärer des 18. Jahrhunderts auf der Seite eines Vernunftfortschritts, der seiner Meinung nach auch in die Kirche ohne Vorbehalte Einzug halten muss. Ein deutscher Bischof hat einmal sinngemäß erklärt: Diejenigen, die den Weg der Reformen, wie sie in der katholischen Kirche gefordert werden, nicht mitgehen können oder wollen, auf die können
wir keine Rücksicht nehmen, sie müssen zurückbleiben. Für sie bleibt, würde Striet sagen, am Ende nur die Option der Sekte.
Ist Striets Gang an die Öffentlichkeit hilfreich zur Einordnung des Synodalen Wegs?
Überaus hilfreich, würde ich sagen. Denn wie ich selbst zieht es auch Striet vor, theologisch Klartext zu sprechen. Wer sich gegenüber der Illusionsblase des Synodalen Weges noch ein wenig Gespür für Realismus bewahrt hat, der wird erkennen, dass der Synodale Weg Spaltungen nicht nur offenlegt, sondern weiter vertiefen wird – in der katholischen Kirche in Deutschland wie in ihrem Verhältnis zu den anderen Orts- und Teilkirchen der Catholica.
Und da ist es nicht hilfreich, wenn Bischöfe als intellektuell nicht auf der Höhe der Zeit abgekanzelt werden, ob nun von Mitbrüdern oder von Theologen. Ein kultureller Überheblichkeitsgestus ist hier ganz fehl am Platz.
Spätestens bei der Weltbischofssynode 2023 wird sich zeigen, dass sich die aus allen Kontinenten der Erde kommenden Oberhirten nicht von Vertretern des deutschen Episkopats vorgeben lassen werden, was es heißt, authentisch katholische Kirche zu sein.
Die katholische Kirche wird als Weltkirche in der Einheit ihrer Ortskirchen untereinander und in ihrer Einheit mit dem Bischof von Rom keine Zukunft haben, wenn in ihr jeweils kulturabhängig substantiell unterschiedlich geglaubt und gelehrt wird. Bleibt also nur die Mühe des Dialogs auf Augenhöhe und der Wille, in Treue zum Evangelium und zur authentischen Glaubensüberlieferung beieinander zu bleiben.