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29. Juni 2021 | Predigt S.Em. Staatssekretär Pietro Kardinal Parolin

am Hochfest der heiligen Apostel Petrus und Paulus | Download Dokument


Autor: S.Em Staatssekretär Pietro Kardinal Parolin
Quelle:
Deutsche Bischofskonferenz

Liebe Schwestern und Brüder!

Es freut  mich  sehr,  mit  Euch  das  Hochfest der  heiligen   Apostel Petrus  und  Paulus  zu feiern.  Der Herr  gibt uns die Gnade,  hier in Berlin aus  Anlass  von  100  Jahren  der  diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und  dem  Heiligen Stuhl  der  beiden  Apostel  zu  gedenken, die  in  Rom  ihr  Blut  vergossen  haben.   Die  Vorsehung  schlägt   eine geistliche Brücke über geschichtliche Räume und verschiedene Zeiten und erlaubt uns heute, das Zeugnis zu aktualisieren, mit dem die Apostel  die Ursprünge unseres gemeinsamen Glaubens gekennzeichnet haben.

Ich möchte zuerst alle Anwesenden brüderlich grüßen und Euch die Nähe  und   herzlich   wohlwollenden Grüße   von  Papst  Franziskus, des Nachfolgers Petri, übermitteln. "Wie auch immer der Name, das Gesicht, die menschliche Herkunft eines jeden Papstes sein mag - sagte Pius XII., dem wir hier auch deshalb gedenken wollen, weil er nach der Aufnahme diplomatischer Beziehungen im Jahr 1920 der erste Apostolische Nuntius in Deutschland war  -es  ist immer Petrus, der in ihm lebt; es ist Petrus, der leitet und regiert; es ist vor allem Petrus, der das Licht der befreienden Wahrheit über die Welt lehrt und verbreitet" (Generalaudienz am 17. Januar 1940). Wir wollen für Papst  Franziskus beten- wie es die Kirche in Jerusalem getan hat, als man Petrus ins Gefängnis geworfen hatte (vgl. Apg 12,5). Er selbst bittet  die  Gläubigen immer  wieder um  ihr  Gebet,  damit  der  Herr  ihn erleuchte und  unterstütze bei der  Ausübung seines  besonderen Amtes im Dienst an der Einheit im Glauben und der Gemeinschaft, 'Was für die Erfüllung der  Heilssendung der  Kirche unverzichtbar ist   (vgl.   Dekret    Unitatis redintegratio, 1).

Ich danke  der  göttlichen Vorsehung für  die Gnade,  in Berlin zu  sein, das  einmal  Symbol  für  die Teilung  Deutschlands und  für  den Eisernen Vorhangs war,  der  die beiden  Blöcke des Westens  und  Ostens trennte. Nach dem Fall der Berliner Mauer am 09. November 1989, der ein Zeichen  des Zusammenbruchs der kommunistischen Systeme  in Europa ist,  konnte  sich  die  Stadt  wiedervereinen und  wichtige Impulse beim Prozess  der nationalen Einheit  und internationalen Einigung geben.

In diesem  Moment denke ich gerne an die beiden  Päpste, die in den letzten  Jahrzehnten diese  wiedergeborene Stadt  besucht  haben.  So  der Heilige Johannes Paul II., der vor 25 Jahren  am 23. Juni 1996 im Berliner Olympiastadion zwei Diener Gottes und Opfer des nationalsozialistischen Regimes seliggesprochen hat: Bernhard Lichtenberg und  Karl Leisner. 15

Jahre später am 22. September 2011hat ein berühmter Sohn Eurer Nation, Papst  Benedikt  XVI., Berlin  besucht  und  vor  den  Abgeordneten des Deutschen Bundestages eine  denkwürdige Ansprache über  die  wahre menschliche Freiheit gehalten.

Petrus und  Paulus haben  in derselben Stadt  ihr Leben hingegeben, jedoch an verschiedenen Orten und  zu unterschiedlichen Zeiten, so dass jede der beiden  Gestalten aufgrund ihrer  beachtlichen Größe ein eigenes Gedenken  verdient.  Die  Kirche  aber  feiert   diese   beiden   Säulen   des Glaubens gemeinsam und  unterstreicht damit  einen  wesentlichen Zug, der  mit  Blick auf  die  Charismen beider  herausragend ist,  sowohl  bei Petrus, wie  auch  bei  Paulus, nämlich  die  Einheit  in  der  Kirche.  "Auf verschiedene Weise sammelten sie die eine Familie  Christi", heißt  es in der Präfation des heutigen Festtages (Missale Romanum).

Sie  sammelten  auf   verschiedene  Weise   dieselbe   Kirche.  Dabei benennt die  Heilige  Schrift   klar  ihre  Unterschiedlichkeit.  Petrus   war Fischer und kam aus Galiläa, einer kosmopolitischen Region, die nicht nur geographisch   weit    entfernt   vom    Zentrum   und    der    kulturellen Einheitlichkeit in Jerusalem war.  Paulus  hingegen wuchs in genau  dieser religiösen Tradition auf und  bekannte von sich selbst: "Mit  dem größten Eifer setzte ich mich für die Überlieferungen meiner Väter ein" (Gal1,14). Der  eine  war  also  mit  Fischernetzen vertraut, der  andere mit  den Schriftrollen des  Gesetzes;  Petrus war  eher  der  Praktiker, Paulus der Gelehrte;  jener hat als erster  bekannt, dass Jesus der Christus ist, wie wir im Evangelium gehört  haben,  der  andere wurde als letzter  zum  Apostel berufen.   Als  sie  die  Mission   begannen, wandte sich  Petrus   an  seine jüdischen Landsleute, Paulus an  die  Heiden. Es  zeigt  sich  ein tiefgreifender Unterschied im Charakter, der auch  zu angeregten Auseinandersetzungen führte, wie  Paulus selbst  in einem  Brief mitteilt (vgl. Gal2,11ff).

Gerade  die  markanten  Unterschiede bringen  jedoch  eine   noch tiefere Einheit  zum  Vorschein. Und  dorthin möchte  ich gelangen, um zu begreifen,  wo der Schwerpunkt der Gemeinschaft liegt. Es ist in der Tat wichtig, sich wieder  auf eine Einheit  zu besinnen, die nicht von  der Zustimmung zu gemeinsamen Visionen und Orientierungen abhängt, wie in  der  Politik  üblich,  sondern von  der  theologisch-spirituellen Verwurzelung in Gott.  Es ist ein  bleibender Auftrag der  Kirche, an  der Einheit  zu arbeiten, um auf die letzte eindringliche Bitte Jesu an den himmlischen Vater vor seinem Leiden  zu antworten, dass "alle eins sein sollen"   (Joh  17,21).  Im  heutigen  Kontext,   dem   Partikularismen und Vorurteile sicherlich  nicht  fremd  sind,  ist  dies  umso  notwendiger.  Ich schlage  daher  zwei  Eckpfeiler  des  christlichen Lebens  vor,  worauf   die Gestalten von Petrus  und Paulus sich gründen und vereinen. Das erste ist der Primat der Gnade, das zweite  die Sorge um die ganze Kirche.

Der Primat der Gnade

Der Primat der Gnade ist der gemeinsame Nenner, der die Erfahrung der  beiden   Apostel   charakterisiert.  Sie  haben   ihre  Schwächen, Unfähigkeiten und  sogar  ihr eigenes  Versagen umfassend erlebt.  Petrus, der den  Christus in Jesus erkannt hatte,  verleugnet ihn in einem entscheidenden Moment während der  Passion und  behauptet, er wisse nicht,  wer   er  sei,  nachdem  er  ihm   noch   kurz   vorher   beim   letzten Abendmahl die  ewige  Treue  geschworen hatte.   Nachdem Paulus das Martyrium des  Stephanus  gutgeheißen hatte,  verfolgte   er  die  Kirche unbeirrt weiter und beschmutzte seine Hände mit dem unschuldigen Blut derer, die er bald Brüder nennen würde. Das Leben der Gestalten, die wir heute  betrachten, ist  daher nicht  eine  Spiegelung des  je anderen und geradlinig, sondern eher gewunden und von großen  Brüchen verwundet.

Genau  hier  setzt  Gottes  Handeln ein: Petrus, großzügig, aber zerbrechlich, wurde zu einem  festen  Fels, als er zu Ostern  die Kraft der Barmherzigkeit Jesu  erlebte,  die  größer  war  als  sein  Elend.  Durch  die Vergebung Christi  wiederhergestellt, gab er sein Leben für seine  Brüder hin.  Paulus, zunächst erstarrt in  einer  Religiosität,  die  auf  akribischer Gesetzesbefolgung beruhte, änderte sein Leben, als er sich auf dem Weg nach  Damaskus von  seinen  Gewissheiten löste  und  sich  dem  Gott  der Gnade öffnete, bis er nicht mehr für sich selbst lebte, sondern für Christus, der sein Leben für ihn hingegeben hat (vgl. Gal2,20). Petrus verstand, dass seine leeren  Netze  durch das  Wort des Herrn gefüllt  würden (vgl. Lk 5; Joh 21); Paulus  ging so weit, sich seiner Schwächen zu rühmen, solange das Einzige, was zählte, die Gnade  Christi, in ihm wohnte (vgl. 2 Kor 11- 12). So entdeckten beide den  Primat  der Gnade:  Sie verstanden, dass das christliche Leben nicht auf guten  frommen Absichten oder  menschlichen Vorhaben beruht, sondern auf  der  gefügigen Offenheit  gegenüber dem überraschenden Wirken Gottes, der sie zu dem  gemacht hat, was sie sich nie  hätten vorstellen und   auf  sich  allein  gestellt  nicht  hätten werden können.

Der Herr - so hat Papst  Franziskus gesagt - "wird nicht von unseren

Fähigkeiten angezogen, sie sind auch nicht der Grund dafür, dass er uns liebt. Er liebt uns so, wie wir sind, und er sucht Menschen, die sich nicht selbst genügen, sondern die bereit sind, ihm ihre Herzen zu öffnen" (Predigt  am Hochfest der heiligen  Petrus und Paulus, 29. Juni 2019).

Der Primat  der Gnade ist ein Ausdruck, den  der Heilige  Vater erst kürzlich  gebrauchte, um aufzuzeigen: "Das ist der entscheidende Schritt im geistlichen Leben, bei dem es nicht um das Sammeln von eigenen Verdiensten und Werken geht, sondern um eine demütige Annahme Gottes". Und er fügt hinzu: "Dies gilt auch für die Kirche. Wir retten niemanden, nicht einmal uns selbst, mit unseren eigenen Kräften. Wenn wir unseren Projekten, unseren Strukturen und  unseren  Reformplänen den  Vorrang geben, verfallen wir  in  emen Funktionalismus, in ein Leistungsdenken, in eine reine Horizontalität, und so werden wir keine Früchte  bringen". Denn  die  Kirche "ist  nicht nur eine menschliche Organisation-, die Kirche ist der Tempel des Heiligen Geistes" und "reformiert  sich mit der Salbung, mit der Selbstlosigkeit der Salbung durch die Gnade, mit  der Kraft des Gebets, mit  der Freude der Mission, mit  der entwaffnenden  Schönheit der Armut" (Predigt  am Pfingstfest, 23. Mai 2021).

Mir scheint, dass der Papst mit diesen Worten in gewisser Weise das wiederholte, was  er  gerade der  Kirche  in  Deutschland anlässlich des Hochfestes der  heiligen  Petrus und  Paulus vor  zwei  Jahren mit  einem Schreiben zum  synodalen Weg empfohlen hatte.  Bei dieser  Gelegenheit schrieb  er: "Sooft eine kirchliche Gemeinschaft versucht hat, alleine aus ihren Problemen herauszukommen, und lediglich auf die eigenen Kräfte, die eigenen Methoden und die eigene Intelligenz  vertraute, endete das darin, die Übel, die man überwinden wollte, noch zu vermehren und aufrechtzuerhalten" (Schreiben an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland, 29. Juni 2019, Nr. 6).

Die Apostel ermahnen uns heute, danach zu fragen, ob wir wirklich der göttlichen Gnade  erlauben, unsere Wege zu leiten, indem wir fügsam hören, was der Geist der Kirche sagt, oder ob wir nur davon reden. Gottes Werk schlägt  dort  Wurzeln, wo es jene Eigenschaften gibt, die Gott liebt und  welche  die Schrift  vielfältig  bezeugt: Demut  und  Gehorsam, Bekehrung, Gebet  und  Fasten,  Anerkennung der  eigenen Armut und Wunsch, das Reich Gottes vor allem durch die Nachahmung des Herrn zu verkünden, sogar  indem  man  sich der  materiellen Sicherheiten beraubt, welche  die  sanftmütige und  prophetische Kraft  des  Evangeliums behindern.

Die Sorge für die ganze Kirche

Kurz gehe ich auf das zweite theologisch-spirituelle Fundament ein, das die beiden  Apostel  verbindet: Die Sorge für die ganze Kirche. Dies war die tägliche Sorge des Paulus (vgl. 2 Kor 11,28), die alle anderen Gefühle überwog. Ähnlich  war  es mit  dem  "geistlichen Testament", das  Petrus von  Jesus  empfing: Nachdem seine  Netze  mit  so vielen  Fischen  gefüllt war, wie man zu dieser  Zeit Völker zu kennen meinte, sagte  der Herr  zu ihm: "Weide meine  Schafe// (Joh 21,17). Die Berufung, das Herz  im Dienst an allen Brüdern  und Schwestern zu weiten, hat das Leben beider  Apostel tief geprägt; so sehr,  dass nicht nur  jede Versuchung, sondern auch  ihre anthropologischen und  charakterlichen Unterschiede, die sie ja prägten, zweitranging sind.

Auch   wir   sind    aufgefordert,     die    kirchliche    Gemeinschaft  im authentisch katholischen Sinne wertzuschätzen, nämlich  universal. Wiederum beziehe ich mich auf das Schreiben des Heiligen  Vaters an die Kirche in Deutschland, wenn er mahnt, "die Gemeinschaft mit dem ganzen Leib der Kirche immer  lebendig und wirksam zu erhalten. Das hilft uns, die Angst zu überwinden, die uns in uns selbst und in unseren Besonderheiten isoliert//. Der  Papst   führt näher   aus:  "Das  bedeutet nicht, nicht zu  gehen, nicht voranzuschreiten, nichts zu ändern und vielleicht nicht einmal zu debattieren und zu widersprechen, sondern es ist einfach die Folge des Wissens, dass wir wesentlich Teil eines größeren  Leibes sind, der uns beansprucht, der auf uns wartet und  uns  braucht, und  den auch wir beanspruchen, erwarten und brauchen. Es ist die Freude, sich als Teil des heiligen und geduldigen treuen Volkes Gottes zu  fühlen// (Schreiben   an  das  Pilgernde Volk  Gottes   in Deutschland, Nr. 9).

Und es ist der Wunsch des Herrn, dass wir Ihm nicht nur auf Seinem Weg folgen, sondern miteinander unterwegs sind, in einer Synode, gemäß der wörtlichen Bedeutung des Begriffes, und  dabei  die Versuchung überwinden, dass  sich  das  Miteinander auf  nur  einen  bestimmten  Teil reduziert, so relevant und bedeutsam er auch sei. Das ist ein Weg, der "im Hören auf den Bischof von Rom (gipfelt), der berufen ist, als Hirte und Lehrer aller Christen zu  sprechen:  nicht von  seinen persönlichen  Überzeugungen ausgehend, sondern als oberster Zeuge der fides totius Ecclesiae [des Glaubens der gesamten  Kirche], als Garant des Gehorsams und der Übereinstimmung  der Kirche mit dem Willen Gottes, mit dem Evangelium Christi und  mit der Überlieferung  der Kirche//  (Franziskus, Ansprache zur  50-Jahr-Feier  der Errichtung der Bischofssynode, 17. Oktober  2015).

Wir folgen dem Beispiel der Apostel, die sich voneinander unterscheiden, aber durch die Gnade, die Gott in ihre Herzen ausgegossen hat, immer wieder zur Gemeinschaft geführt wurden, was sich durch eine fürsorgliche und  ständige Hinwendung zu den Brüdern und  Schwestern ausgezeichnet hat, so bitten  wir um die Gabe der Weisheit, wie man  die Einheit    pflege     und    gestalte.    Vor    allen    Visionen    und    einzelnen Bedürfnissen muss die Gemeinschaft den Vorrang  haben.

Primat   der  Gnade   und  Sorge  für  die  ganze  Kirche;  Petrus  und Paulus teilten das Unvorhersehbare: die Erfahrung eines Gottes, der ihre Vorhaben radikal  veränderte und  sie dazu brachte,  ihren  Horizont  auf unvorstellbare Weise zu erweitern. All dies wurde durch ihre Fügsamkeit möglich: Sie ließen sich vom Geist formen, der ihr Herz erweiterte.

Bitten wir auf die Fürsprache der Heiligen,  die wir feiern, und  der seligen Jungfrau Maria, der Königin der Apostel, um die Gnade  eines demütigen Herzens. Und dies bleibt der immer  gültige Weg, zu dem Gott uns aufruft, Ihm den  Weg zu bereiten, damit  er komme  und  in unserer Mitte wohne.  Amen.

Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: 29. Juni 2021- 18.00 Uhr


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