07. März 2023 | Kommentar zum Handlungstext "Gemeinsam beraten und entscheiden" (Synodalforum I) und zum Präambeltext (Synodalpräsidium) – Vorlagen zur Zweiten Lesung auf der V. Synodalversammlung
Autor: Michael Karger
Quelle: Erstveröffentlichung
Seit der letzten Synodalversammlung hat der geplante deutsche Sonderweg Widerspruch erfahren. Beim Ad-Limina-Besuch der deutschen Bischöfe in Rom (14.–18. November 2023) übten Vertreter der Kurie massive Kritik an den Beschlussvorlagen, die von der Mehrheit der deutschen Oberhirten befürwortet werden. Bei der Kontinentalversammlung in Prag gelang es den deutschen Vertretern nicht, den Vorbereitungsprozess auf die Weltsynode entsprechend dem Muster des Synodalen Weges umzufunktionieren. Entsprechend enttäuscht zeigten sich der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Bätzing und seine Generalsekretärin Gilles.
Mit der Funktionalisierung des Themas sexueller Missbrauch sollen tiefgreifende Veränderungen der Kirchenverfassung sowie der Glaubens- und Sittenlehre durchgesetzt werden
In der Präambel, die auf der fünften Vollversammlung zur zweiten Lesung und endgültigen Abstimmung vorgelegt wird, kommt der Grunddefekt des gesamten Unternehmens deutlich zum Ausdruck: Die Funktionalisierung des Themas sexueller Missbrauch zur Durchsetzung tiefgreifender Veränderungen der Kirchenverfassung sowie der Glaubens- und Sittenlehre. „Es ist unverzichtbar, Schuld offen zu bekennen und auch die strukturellen Ursachen dieser Schuld aufzuarbeiten. Der Missbrauch darf in der Kirche nicht systemisch begünstigt werden”, heißt es zu Beginn der vom Synodalpräsidium vorgelegten Präambel. Faktisch wird hier jeder, der für das Bestehende und in der Kirche Geltende einsteht, sowie alle verbindlichen Inhalte unter Generalverdacht gestellt: Die Struktur der Kirche und ihre Repräsentanten sind gemäß dieses Textes Teil eines Systems der Missbrauchsbegünstigung.
Als Ursachen, die die „Frohe Botschaft in unserer Kirche verdunkeln und ihren Sendungsauftrag im säkularen Umfeld schwer behindern”, werden genannt: „Der geistliche Missbrauch, der Machtmissbrauch durch Klerikalismus und Inkompetenz, die Missachtung von Frauen und von Menschen, die nicht der binären Ordnung von männlich und weiblich entsprechen, nicht zuletzt lebensfeindliche Verengungen der kirchlichen Sexualmoral”. Monokausal wird in der Präambel die „Krise der Kirche, die sich in den Verbrechen der sexualisierten Gewalt und deren Vertuschung zeigt”, zur Ursache der „tiefen Krise des Glaubens” erklärt. Ziel sind „institutionelle Veränderungen” mit weitreichenden Folgewirkungen. Die Strategie der Verdächtigung ist durchsichtig, hat aber wirkungsvoll die Minderheit der Synodalen in der Vollversammlung zermürbt.
Was die Mehrheit der Bischöfe will? Endlich in der modernen Welt akzeptiert werden. Was sie daran hindert, formuliert die Präambel klar: Dass „es seit Jahrzehnten zu keinem mutigen Schritt der Reform gekommen” sei. Über Reformen kann und muss diskutiert werden. Extrem unfair ist es dabei allerdings, jede Ansicht, die nicht dem synodalen Mainstream entspricht, als missbrauchsbegünstigend ins moralische Abseits zu stellen.
Das Recht des Papstes, im Namen der Einheit der Kirche zu intervenieren, wird faktisch geleugnet
In der Präambel ist auch eine Selbstimmunisierung gegen Einsprüche kirchlicher Instanzen enthalten: „Es widerspricht Gottes Geist, die Einheit autoritär durchzusetzen. Auch wenn ein solcher Weg für manche verlockend sein mag, er ist und bleibt eine Versuchung, der die Kirche nicht nachgeben darf”. Faktisch leugnet die feierliche Erklärung derer, die den Synodalen Weg gehen, das Recht des Papstes im Namen der Einheit der Kirche zu intervenieren. Kardinal Luis Ladaria, Präfekt des Dikasteriums für die Glaubenslehre, hat die Strategie durchschaut und dies im November den deutschen Bischöfen auch gesagt: „Es versteht sich von selbst, dass alles getan werden muss, um weiteren Missbrauch an Minderjährigen zu verhindern, aber dies darf nicht bedeuten, das Geheimnis der Kirche auf eine bloße Machtinstitution zu reduzieren, oder die Kirche von vornherein als eine strukturellen Missbrauch hervorbringende Organisation zu betrachten, die so schnell wie möglich unter die Kontrolle von Oberaufsehern gebracht werden muss”.
Auch der Präfekt des Dikasteriums für die Bischöfe, Kardinal Marc Quellet, hat die strategische Ausrichtung des Synodalen Weges erkannt, als er feststellte, „dass die äußerst gravierende Angelegenheit des Missbrauchs ausgenutzt wurde, um andere Ideen durchzusetzen, die nicht unmittelbar damit zusammenhängen”. Es gehe dabei nicht um die pastorale Erneuerung, sondern um „ein Projekt der ’Veränderung der Kirche’”, das „in Deutschland und anderswo bereits weithin bekannt gemacht, die Gemeinschaft der Kirche verletzt, weil es Zweifel und Verwirrung unter den Gläubigen sät”. Kardinal Quellet forderte die deutschen Bischöfe zur Aussetzung des Synodalen Weges bis zum Abschluss der Weltsynode und eine anschließende Überprüfung der nationalen Reformvorhaben auf.
An die Stelle einer personalen Gehorsambindung des Pfarrers gegenüber dem Bischof und des Bischofs gegenüber dem Papst tritt die zwangsweise Abhängigkeit vom jeweiligen Synodalen Rat
Ein Bischof, der in Frankfurt für die Annahme der Präambel stimmt, lehnt damit das Recht des Papstes ab, im Namen der Kirche autoritativ gegen einseitige Vorgaben und Vorhaben von Teilkirchen vorgehen zu dürfen. Von zentraler Bedeutung für das Gelingen des Projektes „Synodaler Weg” ist neben der Einrichtung eines nationalen Synodalen Rates die Einführung von Synodalen Räten auf Bistums- und Pfarreiebene. Auf der letzten Vollversammlung wurde bezüglich des nationalen Rates in höchst fragwürdiger Weise eine geheime Abstimmung verhindert. So wurde mithilfe des öffentlichen Drucks von (Weih-)Bischöfen, die eigentlich gegen das Vorhaben stimmen wollten, eine Zustimmung „erpresst“. Es bleibt rätselhaft, warum nicht auf dem satzungsmäßigen demokratischen Recht auf freie und geheime Abstimmung bestanden wurde.
Nun steht der Synodale Rat auf Bistum-und Pfarreiebene zur Zweiten Lesung und zur erneuten Abstimmung an („Handlungstext: Gemeinsam beraten und entscheiden”). Da die Kirchenverfassung ein Überstimmtwerden des Bischofs nicht vorsieht, umgeht die Vorlage Konzil und Kirchenrecht mittels einer freiwilligen Selbstentmachtung, die jedem Bischof abverlangt wird: „Ein Weg, dieses Zusammenspiel von gemeinsamer Verantwortung und Leitungsamt verbindlich zu gestalten, besteht in der Selbstbindung (!) des Bischofs und des Pfarrers.” Wenn es dazu beschwichtigend heißt: „Der Rahmen für die Selbstverpflichtung ist die verbindliche Glaubenslehre und Rechtsordnung der Kirche”, wird dabei bewusst verschwiegen, dass die Außerkraftsetzung der Leitungsbefugnis des Bischofs und auch des Pfarrers einen massiven Verstoß gegen die sakramentale Kirchenstruktur und die Rechtsordnung darstellt. Faktisch entscheidet der Rat über alles: „Pastorale Planungs- und Zukunftsperspektiven, weichenstellende Finanzentscheidungen sowie zentrale Veränderungen bei der Personalplanung und Personalentwicklung”. Die Leitung haben der Bischof und ein Vorsitzender. Sollte der Bischof sich einem Beschluss widersetzten, dann kann er mit Zweidrittelmehrheit jederzeit überstimmt werden.
„Der Priesterrat wird in den Synodalen Rat der Diözese integriert.” Auf Pfarreiebene werden Kirchenvorstand bzw. Verwaltungsrat aufgelöst. Ihre Aufgaben übernimmt der Synodale Rat, der wie auf Diözesanebene auch den Pfarrer mit Zweidrittelmehrheit überstimmen kann. Auch von den Pfarrern wird eine „freiwillige Selbstbindung” erwartet. An die Stelle einer personalen Gehorsambindung des Pfarrers gegenüber dem Bischof und des Bischofs gegenüber dem Papst tritt die zwangsweise Abhängigkeit vom jeweiligen Synodalen Rat. Dieser wird sehr bald die totale Kontrolle errungen haben. Dann wird es nur noch synodenkonforme Bischöfe und Pfarrer geben, bzw. sehr bald werden andere und „geschlechtergerechte” Leitungsformen verankert.
In seiner Stellungnahme hat Kardinal Quellet darum im November die deutschen Bischöfe an das „primäre Amt des Bischofs” erinnern müssen. Zu diesem gehöre „die Verkündigung in Übereinstimmung mit dem Lehramt der Kirche und des Papstes (vgl. Lumen gentium 25).” Eine Selbstentmachtung zugunsten eines diözesanen Gremiums ist nicht akzeptabel: „Jeder Bischof ist von seiner Weihe und Hinzufügung zum Kollegium der Nachfolger der Apostel an befähigt, ‘cum et sub Petro’ die Weltkirche in der ihm anvertrauten Teilkirche zu repräsentieren und die Gemeinschaft seiner Teilkirche mit der Weltkirche zu gewährleisten.”
Kann die Einheit der Kirche noch gewahrt werden?
Inzwischen liegt eine weitere römische Stellungnahme vor. Es ist das Antwortschreiben des Kardinalstaatssekretärs Parolin (16. Januar 2023) auf die Frage mehrerer deutscher Bischöfe, ob sie verpflichtet sind, sich am Synodalen Ausschuss zu beteiligen, den die Mehrheit des Synodalen Weges zur Vorbereitung der Schaffung von Synodalen Räten auf Bistumsebene bereits grundsätzlich beschlossen hat. Über den Hinweis auf eine frühere Erklärung (21. Juli 2022) hinaus, in der es hieß: „Der Synodale Weg ist nicht befugt, die Bischöfe und die Gläubigen zur Annahme neuer Formen der Leitung und neuer Ausrichtung der Lehre und Moral zu verpflichten, was eine Verletzung der kirchlichen Gemeinschaft und eine Bedrohung der Einheit der Kirche darstellen würde”, lautete die Antwort auf die Anfrage: Die Bischöfe sind „nicht verpflichtet, sich an der Arbeit des ’Synodalen Ausschusses’ zu beteiligen, dessen Hauptzweck die Vorbereitung des ’Synodalen Rates’ (…) ist”. Zudem seien die Beschlüsse des Synodalen Ausschusses weder für die Bischofskonferenz noch für den einzelnen Bischof bindend.
Unter Hinweis auf die Synodentexte wird festgestellt, dass in Deutschland ein nationaler Synodaler Rat geplant sei, der „sich über die Autorität der Deutschen Bischofskonferenz zu stellen und diese faktisch zu ersetzen scheint”. Zudem seien diözesane Synodale Räte geplant, die sich über die „Autorität des einzelnen Bischofs innerhalb seiner Diözese” stellen. Dies sei der „Weg hin zur Kodifizierung dieser neuen Rechtsinstitute”. Dieses auch von den Kardinälen Ladaria und Quellet unterzeichnete Schreiben endet mit der Klarstellung, „dass weder der Synodale Weg, noch ein von ihm eingesetztes Organ, noch eine Bischofskonferenz die Kompetenz habe, den ‘Synodalen Rat’ auf nationaler, diözesaner oder pfarrlicher Ebene einzurichten”. Diese Aussagen wurden jetzt noch einmal präzisiert durch die Botschaft des Apostolischen Nuntius an die Bischofskonferenz, dass auch der einzelne Diözesanbischof nicht befugt sei, einen solchen Rat einzurichten. Die nächsten Monate werden zeigen, ob und wie die Einheit der Kirche gewahrt werden kann.