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16. Dezember 2021 | Es droht eine riesengroße Enttäuschung

Erzbischof Georg Gänswein: Der Synodale Weg will innerkirchliche Reformen durchpeitschen, die aus der Gemeinschaft mit der Weltkirche hinausführen | Download Dokument


Autor: Bernhard Müller
Quelle:
Vatican Magazin / Heft 12 Dezember 2021
Im „Vatican Magazin“ (Dezember-Ausgabe) ist ein ausführliches Interview mit Erzbischof Georg Gänswein, dem Privatsekretär des emeritierten Papstes Benedikt XVI., erschienen. Wir dokumentieren Auszüge des Gesprächs, die im Zusammenhang mit dem Synodalen Weg stehen. Die Fragen stellte Bernhard Müller.

 

(…) Früher haben die Kirchenvertreter Politikern ins Gewissen geredet. Heute reden Politiker der Kirche ins Gewissen, zuletzt geschehen im Oktober, als Bundespräsident Steinmeier beim Papst war. Was hat sich hier gedreht?

Natürlich haben Politiker und ein Bundespräsident das Recht, sich kritisch zu äußern, auch bei einem Papstbesuch. Aber ich frage mich schon, ob es angemessen ist, dass ein deutscher Bundespräsident, in dessen eigener Kirche und in dessen eigenem Land in vielen staatlichen Einrichtungen bisher kaum eine Aufarbeitung von Missbrauchsfällen vorgenommen wurde, den moralischen Zeigefinger gegen die katholische Kirche erheben sollte. Man darf freilich in diesem Zusammenhang auch nicht übersehen, dass der Synodale Weg in Deutschland wohl auch vom deutschen Bundespräsidenten als rettende Antwort auf den Missbrauch in der katholischen Kirche verstanden wird.

 Und ist er das?

Nein, diese Sichtweise teile ich überhaupt nicht. Bischof Voderholzer hat recht, wenn er vom Missbrauch des Missbrauchs spricht. Der Synodale Weg will innerkirchliche Reformen durchpeitschen, die aus der Gemeinschaft mit der Weltkirche hinausführen. Ich befürchte sehr, sollte vorher kein Einsehen wach werden, dass dann eine riesengroße Enttäuschung auf uns zukommen wird. Entweder setzen die Bischöfe diesen unrealistischen Forderungen ein Ende oder es wird spätestens „aus die Maus“ heißen, wenn die synodalen Schlussdokumente nach Rom kommen. Dann hätte Rom wieder einmal den Schwarzen Peter. Damit wäre aber weder der Kirche in Deutschland noch der Weltkirche gedient.

Wie unterscheidet sich die Weltbischofssynode, die Papst Franziskus angestoßen hat, vom Synodalen Weg in Deutschland?

Dass beides theologisch und kanonistisch grundsätzlich unterschiedlich ist, sieht man auf den ersten Blick, wenn man die Statuten und Arbeitspapiere des Synodalen Weges in Deutschland und den Brief liest, den Papst Franziskus im Juni 2019 an die deutschen Katholiken geschrieben hat. Die Anliegen der Weltbischofssynode sind auf Neuevangelisation und Erneuerung im Glauben angelegt, der Synodale Weg zielt vor allem auf Strukturveränderungen.

 

„Ich frage mich mit vielen einfachen gläubigen Menschen, ob der Synodale Weg überhaupt etwas für den Glauben bringt.“

 

Der Brief des Papstes an die deutschen Katholiken spielt beim Synodalen Weg in Deutschland aber keine Rolle.

Als der Brief seinerzeit eintraf, wurde er fast überall gelobt und dann – entsorgt. Papst Franziskus hatte für den Synodalen Weg vorgeschlagen: weg von den Strukturen hin zu einer Neuevangelisierung! Das deutlichste Zeichen, wie ernst man diesen Vorschlag nahm, war die Tatsache, dass ein fünftes Forum des Synodalen Weges zum Thema Neuevangelisierung knallhart abgelehnt wurde, auch von Bischöfen.

 Woran liegt es, dass in den letzten Jahrzehnten in Deutschland, vor allem im Verbandskatholizismus, das progressive Lager so stark gewachsen ist?

Sie sprechen vom Verbandskatholizismus, Establishment ist ein anderes Wort dafür. Dort sind viele politisch Tätige versammelt, die zwar aus der katholischen Kirche kommen, aber in der Regel in zentralen theologischen Fragen eine ganz andere Auffassung haben als das kirchliche Lehramt, und sich immer wieder lautstark bemerkbar machen. Ich frage mich mit vielen einfachen gläubigen Menschen, ob der Synodale Weg überhaupt etwas für den Glauben bringt. Führt er zu einer Vertiefung und Erneuerung des Glaubens? Vom Establishment des deutschen Verbandskatholizismus ist da bisher wenig Positives zu hören gewesen.

Kürzlich gab es in der Frankfurter Frauenkirche eine Aktion: Tätowieren vor dem Altar. Ist so etwas ein neuer Weg, wie kirchenferne Menschen wieder zum Glauben finden können?

Man sollte und darf das Sacrum nicht mit dem Profanum verwechseln. Die Vertiefung des Glaubens beginnt immer mit der eigenen Umkehr. Ich habe nie gesehen, dass irgendwelche reißerischen äußeren Elemente dazu geführt haben, Menschen zurückzugewinnen oder neu für den Glauben zu begeistern. Man muss auch fragen, was persönliche Geschmacksfragen mit dem Glauben zu tun haben? Freilich müssen wir alles uns Mögliche tun, um Glaubensferne anzusprechen. Das gelingt aber nur durch persönliches Vorleben und durch die Verkündigung des Evangeliums. Natürlich muss man dafür die Sprache der Zeit sprechen und die entsprechenden gegebenen Kommunikatinsmittel nutzen. Das ist zu allen Zeiten so gewesen. Anbiedern sollte man sich dabei jedoch niemals.

 

„Überall wo es der Kirche an Glauben fehlt, ist Aderlass nötig.“

 

 Wie sehen Sie politische Aktionen in der Kirche, beispielsweise Regenbogenfahnen an Gotteshäusern und auf Altären?

Ich halte solche plakativen Aktionen für verfehlt und keineswegs hilfreich. Wenn kirchliche Verantwortliche Fehler gemacht haben, muss das eingestanden werden. Aber dass wir uns in so plumper Form mit Fahnen oder Briefpapier dem Regenbogenfarben-Metier anbiedern, das überzeugt nicht. Meinen Sie, dass dadurch irgendeine Person zum Glauben zurückfindet oder bestärkt wird?

Lässt sich die die Zerrissenheit der katholischen Kirche in Deutschland überwinden? Gibt es noch genügend Brückenbauer?

Das hoffe ich. Ich glaube schon, dass der Wille zum Brückenbauen da ist. Aber der Wille allein genügt nicht, wir müssen auch den Mut dazu haben. Gleichzeitig muss klar sein, dass der Glaube nicht ein inhaltsloses Etwas ist. Der Glaube ist das, was wir im Credo bekennen. Er ist das, was wir nicht selber gemacht haben, woraus und wovon wir aber leben. Und es ist das, was wir unverfälscht weitergeben müssen.

Wie denken Sie sich die katholische Kirche in 20 Jahren?

Es gibt einen berühmten Aufsatz aus dem Jahre 1958 „Die neuen Heiden“, der dem blutjungen Autor Joseph Ratzinger damals von kirchlicher Seite nicht wenig Schwierigkeiten einbrachte, und in dem er Prophetisches aussagte: Die Kirche der Zukunft werde viel kleiner sein und viel an politischer und anderer Macht einbüßen, aber an innerer Stärke gewinnen. Ich glaube, wir sind immer noch auf dem Weg, diese kleinere Gemeinschaft zu werden. Da braucht es dann eben auch den Mut, bestimmte Dinge abstoßen und loslassen zu können. Denn oft sind gerade die großen finanziellen Möglichkeiten, die wir in Deutschland haben, keine Hilfe für den Glauben, sondern eher ein Hindernis. Überall wo es der Kirche an Glauben fehlt, ist Aderlass nötig.

Sie knüpfen hier an die Freiburger Rede von Papst Benedikt von vor 10 Jahren an, als er die deutsche Kirche zur Entweltlichung aufrief.

Auch, ja, aber nicht nur. Damals haben nicht wenige Bischöfe hinterher versucht klarzumachen, was Benedikt alles damit nicht gemeint habe. Das allein zeigt, dass sie offensichtlich auf den Status quo fixiert waren und die innere Struktur und Weite der Rede entweder nicht verstanden oder innerlich nicht angenommen hatten.

(…)

 

Überschriften und Zwischentitel des hier dokumentierten Gesprächsauszugs sind nachträgliche redaktionelle Einfügungen. Das Interview, in dem auch verschiedene andere Themen zur Sprache kamen, erschien im „Vatican Magazin“ (Fe-Verlag, Kißlegg) unter der Überschrift „Benedikt summt“: www.vatican-magazin.de.


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