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09. Juni 2021 | "Schwer wiegender inhaltlicher Geburtsfehler"

Interview mit Walter Kardinal Kasper | Download Dokument


Autor: Walter Kardinal Kasper
Quelle:
Passauer Bistumsblatt

Der emeritierte Kurienkardinal Walter Kasper im Gespräch mit dem Passauer Bistumsblatt über den deutschen Synodalen Weg: „Wie das alles auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen ist, ist angesichts der offensichtlichen Uneinigkeit der deutschen Bischöfe schwer vorstellbar.“

Papst Fran­zis­kus schickt die gesam­te Welt­kir­che auf einen Syn­oda­len Weg. Vor­ge­se­hen sind eine diö­ze­sa­ne, eine kon­ti­nen­ta­le und eine welt­kirch­li­che Pha­se. Laut Vati­kan sei es Ziel, allen Gläu­bi­gen Gele­gen­heit zu bie­ten, ​auf­ein­an­der und auf den Hei­li­gen Geist zu hören“. Was erhof­fen Sie sich am Ende der zwei­jäh­ri­gen Debat­te?

Kar­di­nal Kas­per: Papst Fran­zis­kus ist immer wie­der für Über­ra­schun­gen gut. Was er als uni­ver­sa­len Syn­oda­len Weg vor­schlägt, ist das Ergeb­nis von vie­len Dis­kus­sio­nen über das The­ma Syn­ode seit dem II. Vati­ka­ni­schen Kon­zil. Syn­oden sind kein Par­la­ment, kei­ne ​„Papier­fa­brik“, die lan­ge Papie­re ver­fasst, die nach­her kaum jemand liest, auch kein Kir­chen­re­gi­ment, das sagt, wo es lang geht. Syn­oden sind Rats­ver­samm­lun­gen, in denen sich in Kri­sen­si­tua­tio­nen der Bischof mit sei­nem Pres­by­te­ri­um und den Gläu­bi­gen gemein­sam den Zei­chen der Zeit stellt, auf das Evan­ge­li­um schaut und im Gebet wie im Aus­tausch unter­ein­an­der hört, was der Hl. Geist den Gemein­den sagt (Offb 2.7 u.a.). Wenn es dabei – wie das Kon­zil for­mu­liert – zu einem ​„ein­zig­ar­ti­gen Ein­klang“ zwi­schen Vor­ste­hern und Gläu­bi­gen kommt, dann ist das ein Zei­chen des Hl. Geis­tes, dass wir auf dem rech­ten Weg sind (Offen­ba­rungs­kon­sti­tu­ti­on, 10).

Mit sei­ner Initia­ti­ve will der Papst jetzt das gan­ze Volk Got­tes welt­weit mobi­li­sie­ren und es zu Gebet, Schrift­le­sung und Bera­tung ein­la­den über den Weg, der aus der gegen­wär­ti­gen Kri­se in die Zukunft füh­ren kann. Ein sol­cher syn­oda­ler Pro­zess kann die Kir­che nicht neu erfin­den, er kann jedoch bei­tra­gen, dass sich die Kir­che im Hl. Geist erneu­ern lässt und sie als ewig jun­ge Kir­che ein­la­dend wird für die vie­len Men­schen, die gera­de heu­te suchend auf dem Weg sind. Ich fin­de, das ist im Ver­trau­en auf die Füh­rung des Geis­tes Got­tes eine groß­ar­ti­ge und eine muti­ge Idee.

Die römisch-katho­li­sche Kir­che in Deutsch­land befin­det sich auf dem Syn­oda­len Weg. Was als Gesprächs­for­mat für eine struk­tu­rier­te Debat­te gedacht ist, lässt zum Teil him­mel­wei­te Unter­schie­de in den jewei­li­gen Auf­fas­sun­gen erken­nen. Mit­un­ter sind schrof­fe Wor­te zu hören. Gele­gent­lich fühlt man sich beim Dis­kurs an eine Pas­sa­ge aus der Apos­tel­ge­schich­te erin­nert: ​Dort schrien die einen dies, die ande­ren das; denn in der Ver­samm­lung herrsch­te gro­ßes Durch­ein­an­der und die meis­ten wuss­ten gar nicht, wes­halb man über­haupt zusam­men­ge­kom­men war.“ Wie erst soll man da für die gesam­te Welt­kir­che auf einen gemein­sa­men Nen­ner kom­men?

Kar­di­nal Kas­per: Sie haben den ganz anders­ar­ti­gen deut­schen Syn­oda­len Weg, so wie man ihn aus den Medi­en wahr­neh­men kann, zutref­fend beschrie­ben. Er gibt in der Öffent­lich­keit wahr­lich kein gutes Bild. Ich mache mir gro­ße Sor­gen, bin jedoch mit einem abschlie­ßen­den Gesamt­ur­teil vor­sich­tig. Bis­her hören wir ein­zel­ne, zum Teil schril­le Stim­men und ein­zel­ne öffent­lich lau­te Grup­pen, aber wir haben noch kei­nen Beschluss­text. Für den Anfang mag es ja gut gewe­sen sein, die unter­schied­li­chen Mei­nun­gen unge­fil­tert zu Wort kom­men zu las­sen. Aber es über­steigt mein Vor­stel­lungs­ver­mö­gen, dass For­de­run­gen wie Auf­he­bung des Zöli­bats und Pries­ter­wei­he von Frau­en am Ende die Zwei-Drit­tel-Mehr­heit der Bischofs­kon­fe­renz fin­den oder in der uni­ver­sa­len Kir­che kon­sens­fä­hig sein könn­ten. Ich habe die Hoff­nung noch nicht auf­ge­ge­ben, dass das Gebet vie­ler treu­er Katho­li­ken hilft, den Syn­oda­len Weg auf katho­li­sche Gelei­se zu len­ken.

Der Syn­oda­le Weg steht struk­tu­rell auf schwa­chen Bei­nen. Er ist weder eine Syn­ode noch ein blo­ßer Dia­log­pro­zess. Jetzt am Anfang ist er ein Dia­log­pro­zess, dann hat die Bischofs­kon­fe­renz das Wort und schließ­lich ist, was die uni­ver­sal­kirch­li­chen For­de­run­gen angeht, der Papst am Zug, außer­dem ist jeder Bischof frei, in sei­ner Diö­ze­se zu über­neh­men, was ihm geeig­net erscheint. Wie das alles auf einen gemein­sa­men Nen­ner zu brin­gen ist, ist ange­sichts der offen­sicht­li­chen Unei­nig­keit der deut­schen Bischö­fe schwer vor­stell­bar. Dazu kommt der noch schwe­rer wie­gen­de inhalt­li­che Geburtsfehler.

 

Kardinal: Das ist im Augenblick der Härtetest für die Ökumene
War­um hat der Syn­oda­le Weg den Brief von Papst Fran­zis­kus nicht erns­ter genom­men und, wie es sich für eine Syn­ode gehört, die kri­ti­schen Fra­gen im Licht des Evan­ge­li­ums betrach­tet? Selbst­ver­ständ­lich müs­sen wir neue­re human­wis­sen­schaft­li­che Ein­sich­ten beach­ten, der Maß­stab ist jedoch allein Jesus Chris­tus. Einen ande­ren Grund kann nie­mand legen (1 Kor 4,7).

Herr Kar­di­nal, Sie haben im Blick auf die Debat­ten hier­zu­lan­de davor gewarnt, die Katho­li­ken in der Welt­kir­che auf einen deut­schen Weg brin­gen zu wol­len. Die Deut­schen soll­ten den ande­ren nicht ein­fach sagen, wo es lang­ge­he. Sind Ent­täu­schun­gen vor­pro­gram­miert?

Kar­di­nal Kas­per: In den letz­ten Jahr­zehn­ten bin ich viel in der Welt­kir­che unter­wegs gewe­sen, und seit 20 Jah­ren lebe ich in Ita­li­en. Wir Deut­sche genie­ßen in der Welt Respekt für unser kla­res Den­ken, für unser Orga­ni­sa­ti­ons­ta­lent, unse­re Spen­den­freu­dig­keit, auch für die Theo­lo­gie. Ich stel­le aber auch fest, dass ande­re Völ­ker gereizt reagie­ren, wenn wir den Ein­druck erwe­cken, wir woll­ten ihnen den Kurs vor­ge­ben nach dem Mot­to: ​„Am deut­schen Wesen soll die Welt gene­sen.“ Die­se Nazi­pa­ro­le hat­te schlim­me Fol­gen, die man auch im sonst tole­ran­ten Ita­li­en noch nicht ver­ges­sen hat. 

Über den Syn­oda­len Weg höre ich immer wie­der: Das sind nicht unse­re Pro­ble­me, und auch in Deutsch­land sind es nicht weni­ge Frau­en und Män­ner, die ganz ande­re Pro­ble­me haben. Mei­ne Freun­de von S. Egidio, wahr­lich kei­ne Fins­ter­lin­ge, sagen mir immer wie­der: Was ihr da macht ist ​„fuo­ri sto­ria“, lebens‑, welt- und geschichts­fremd. Sind denn wirk­lich die Abschaf­fung des Zöli­bats und die Ordi­na­ti­on von Frau­en die Mensch­heits­pro­ble­me von heu­te? Man muss die­ser Kri­tik nicht in allem zustim­men, aber nach­denk­lich machen soll­te sie uns schon. 

Wir haben kei­nen Grund nur als Lehr­meis­ter auf­zu­tre­ten, auch ande­re haben etwas zu bie­ten von dem wir ler­nen kön­nen. Wenn ich sehe, was in römi­schen Pfar­rei­en und in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten, und unter völ­lig ande­ren Bedin­gun­gen in Afri­ka, in der Kate­che­se geschieht, dann sind wir kate­che­ti­sches Not­stands­ge­biet. Damit mei­ne ich nicht den schu­li­schen Reli­gi­ons­un­ter­richt, der unter den heu­ti­gen schu­li­schen Bedin­gun­gen meist nicht Kate­che­se sein kann. Ich spre­che von der gemeind­li­chen Tauf‑, Erstbeicht‑, Erst­kom­mu­ni­on- und Firm­ka­te­che­se, von Ehe­vor­be­rei­tungs- und Fami­li­en­ka­te­che­se. Wo sie gut gemacht wird, fin­den sich in den Sonn­tags­got­tes­diens­ten jun­ge Leu­te, jun­ge Fami­li­en mit Kin­dern, die man in Deutsch­land oft an den Fin­gern einer Hand abzäh­len kann. Das neh­men die ande­ren selbst­ver­ständ­lich wahr, fin­den den gegen­wär­ti­gen Zustand der katho­li­schen Kir­che in Deutsch­land nicht beson­ders attrak­tiv und ver­spü­ren wenig Lust, es uns nachzumachen.

Wo ist Ein­heit nötig und wo ist Viel­falt möglich?”

Kardinal Kasper

Die Kir­che in Deutsch­land hat im wahrs­ten Sin­ne des Wor­tes ein wei­tes Feld zu beackern. Dazu gehört seit gefühlt einer Ewig­keit auch die Öku­me­ne. Wie geht es Ihrer Ein­schät­zung nach vor­an?

Kar­di­nal Kas­per: Der Auf­trag Jesu zur Öku­me­ne gilt über­all, auch dort wo Katho­li­ken in der Mehr­heit und die Evan­ge­li­schen in der Min­der­heit sind oder umge­kehrt. Deutsch­land ist eine Aus­nah­me­si­tua­ti­on. Denn wir sind das Land der Refor­ma­ti­on, in dem sich evan­ge­li­sche und katho­li­sche Chris­ten zah­len­mä­ßig in etwa die Waa­ge hal­ten. So gehört das Zusam­men­le­ben und die Zusam­men­ar­beit mit evan­ge­li­schen Chris­ten zu unse­rem All­tag. Wenn ich an mei­ne Kin­der- und Jugend­zeit zurück­den­ke, dann stel­le ich fest, dass wir seit dem Ende des Zwei­ten Welt­krie­ges damals völ­lig unvor­stell­ba­re Rie­sen­fort­schrit­te gemacht haben. Wenn es den­noch immer wie­der hakt, dann liegt das nicht nur bei bor­nier­ten Stur­köp­fen in Rom, die es im Übri­gen wie über­all auch in Deutsch­land gibt. Der tie­fe­re Grund liegt anders­wo. Zum Dia­log gehö­ren Part­ner, die ihre Iden­ti­tät haben und sich auf ihrem gemein­sa­men Weg etwas zu sagen haben. Doch sowohl auf evan­ge­li­scher wie auf katho­li­scher Sei­te stel­le ich einen beängs­ti­gen­den Iden­ti­täts­ver­lust fest. Vie­le wis­sen gar nicht mehr, was katho­lisch und was evan­ge­lisch ist. Sie haben die Unter­schie­de nicht über­wun­den, sie ken­nen sie erst gar nicht mehr. So bewe­gen wir uns in einer dif­fu­sen nebel­haf­ten Traum- und Schein­ö­ku­me­ne. Denn wenn die Fra­gen nicht mehr inter­es­sie­ren, heißt das noch lan­ge nicht, dass sie nicht mehr existieren. 

Auch die Kir­chen sind sich lei­der nicht mehr einig, wohin die öku­me­ni­sche Rei­se gehen soll. Sol­len wir es ein­fach beim Sta­tus quo belas­sen und uns gegen­sei­tig so aner­ken­nen, wie wir nun mal sind, oder müs­sen wir uns um die vol­le Ein­heit bemü­hen? Wenn wir über das Ziel der Öku­me­ne nicht einig sind, dann auch nicht über den Weg. Um wei­ter­zu­kom­men, müs­sen wir uns gemein­sam über­le­gen: Wer sind wir als Katho­li­ken und als Evan­ge­li­sche? Was kön­nen, was wol­len und was müs­sen wir in die grö­ße­re Öku­me­ne ein­brin­gen? Was hat Jesus von uns erwar­tet, wenn er gebe­tet hat ​„dass alle eins sei­en“ (Joh 17,11)? Wie kön­nen wir unse­re Unter­schie­de über­win­den, um in der Welt glaub­haf­te Zeu­gen der Ein­heit und des Frie­dens zu sein? Die prak­ti­sche Zusam­men­ar­beit ist ein Weg, um uns bes­ser ken­nen zu ler­nen, in dem, was wir gemein­sam haben und in dem, was uns unterscheidet.

Man hört immer wie­der die Begrif­fe der ​ver­söhn­ten Ver­schie­den­heit“ und der ​Ein­heit in Viel­falt“. Da gibt es auch Kri­tik. Das wird dann Eti­ket­ten­schwin­del genannt, Unter­schie­de wür­den da ein­fach schön­ge­re­det, so der Vor­wurf. Ist da nicht auch etwas dran? Und wie könn­te die­se ​Ein­heit“ aus­se­hen, damit man das unschö­ne Wort von der ​Spal­tung“ nicht mehr in den Mund neh­men muss?
Kar­di­nal Kas­per: ​„Ver­söhn­te Ver­schie­den­heit“ und ​„Ein­heit in Viel­falt“ sind inzwi­schen wohl­fei­le Leer­for­meln gewor­den. Sol­che All­ge­mein­plät­ze sind immer rich­tig, aber es kommt dar­auf an, was sie kon­kret bedeu­ten. Ver­söhn­te Ver­schie­den­heit wäre zutiefst unehr­lich, wür­de man grund­le­gen­de Ver­schie­den­hei­ten ein­fach ste­hen las­sen und so tun, als wären wir einig. Bei Ein­heit in der Viel­falt muss man fra­gen: Wo ist Ein­heit nötig und wo ist Viel­falt mög­lich?

Anders gesagt: Bei­de For­meln beschrei­ben nicht den gegen­wär­ti­gen Zustand, son­dern das Ziel, auf das wir uns erst zube­we­gen. Es ist wie beim Berg­wan­dern. Man muss wis­sen, wohin man will, aber man kann die schö­ne Aus­sicht, die man oben hat, nicht im Vor­aus genie­ßen. Schon die Schrit­te unter­wegs sind inter­es­sant und erschlie­ßen uns aus unter­schied­lichs­ten Per­spek­ti­ven die herr­li­che Berg­land­schaft. So hal­te ich nichts von am Reiß­brett gemach­ten öku­me­ni­schen Ent­wür­fen. Mich inter­es­sie­ren die nächs­ten Schrit­te und die Her­aus­for­de­run­gen, die heu­te auf uns war­ten, und das sind nicht wenige.

 

Das Evan­ge­li­um in sei­ner Radi­ka­li­tät neu entdecken.”

Kardinal Kasper

Herr Kar­di­nal, Sie sel­ber sind Opti­mist und wer­den mit den Wor­ten zitiert, dass der Weg zur Ein­heit der christ­li­chen Kir­chen zwar grund­sätz­lich mög­lich, aber ​lang und steil“ ist. Müss­te letzt­lich nicht dann die eine oder ande­re Sei­te fun­da­men­tal viel von ihrer ​DNA“ auf­ge­ben, um die­se ​Ein­heit“ zu errei­chen?
Kar­di­nal Kas­per: Ein Opti­mist nicht unbe­dingt; wenn ich mir den Lauf der Welt und die Situa­ti­on in der Kir­che anschaue, nei­ge ich manch­mal auch zu Pes­si­mis­mus. Trotz­dem bin ich ein Mann der Hoff­nung und, wie Pau­lus sagt, in der Hoff­nung fröh­lich (Röm 12,12). Ich habe nicht die Sor­ge, dass der Hl. Geist, der die Öku­me­ne ange­sto­ßen hat, mir etwas weg­nimmt von der katho­li­schen DNA; im Gegen­teil, er lässt sie in der öku­me­ni­schen Begeg­nung wach­sen, rei­fen und frucht­bar wer­den. Auf die­ses fas­zi­nie­ren­de Aben­teu­er des Hl. Geis­tes müs­sen wir uns als Chris­ten einlassen. 

Das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil hat uns von einer ver­eng­ten katho­li­schen DNA zu einer offe­nen und damit zu einer wirk­lich katho­li­schen DNA befreit, die sich ohne das Eige­ne auf­zu­ge­ben von dem, was bei ande­ren Kir­chen wahr und gut ist, berei­chern lässt. So wer­den wir durch die Öku­me­ne nicht weni­ger, son­dern mehr katho­lisch und die Evan­ge­li­schen kön­nen – nach unse­rer Über­zeu­gung – aus dem Evan­ge­li­um noch man­ches ler­nen und so noch mehr evan­ge­lisch wer­den. Öku­me­ne ist kein Ver­lust­ge­schäft, sie ist ein Lern­pro­zess. Der setzt auf allen Sei­ten Bekeh­rung vor­aus, ohne die Öku­me­ne nicht mög­lich ist. Die Bekeh­rung zum ande­ren und die Bekeh­rung zu Chris­tus sind zwei Sei­ten der­sel­ben Medaille.

Hin­der­nis­se in der Öku­me­ne betref­fen nicht nur die hohe Theo­lo­gie, son­dern vor allem Chris­ten vor unse­rer Haus­tür, etwa wenn es um den wech­sel­sei­ti­gen Emp­fang von Eucha­ris­tie und Abend­mahl durch Katho­li­ken und Pro­tes­tan­ten geht. Wie soll die­se Kluft zwi­schen Anspruch und Wirk­lich­keit gekit­tet wer­den?
Kar­di­nal Kas­per: In der Tat, das ist im Augen­blick der har­te Kern und der Här­te­test der Öku­me­ne. Die Eucha­ris­tie ist das Sakra­ment der Ein­heit und es ist wider­sprüch­lich, wenn wir gera­de in der Eucha­ris­tie getrennt sind. Das bringt vie­le kon­fes­si­ons­über­grei­fen­de Ehen und Fami­li­en in Not; sie wol­len nicht aus­ge­rech­net vor dem Altar getrennt wer­den, son­dern gera­de dort ihre tiefs­te Ein­heit in Chris­tus erfahren.

Das Papier des Öku­me­ni­schen Arbeits­krei­ses hat sich der Fra­ge dan­kens­wer­ter Wei­se ange­nom­men. Ich war über­rascht, wie sehr Theo­lo­gen aus unter­schied­li­chen Kir­chen, aus unter­schied­li­chen Schul­rich­tun­gen und Dis­zi­pli­nen bei offen geblie­be­nen Fra­gen und man­chen inko­hä­ren­ten Aus­sa­gen in vie­ler Hin­sicht zusam­men­ge­fun­den haben. Doch es war ein aka­de­mi­sches Doku­ment, und es war unklug, die­ses ohne kirch­li­chen Rea­li­tätscheck beim Öku­me­ni­schen Kir­chen­tag einem Groß­ex­pe­ri­ment aus­set­zen zu wol­len. Da konn­te Rom nicht viel ande­res tun als rasch ein Stopp­schild auf­stel­len. Denn eini­ge Fra­gen sind in der Tat erst noch zu klären. 

Auch ich habe kei­ne Lösung für alle die offe­nen Sach­fra­gen. Dar­um konn­te ich guten Gewis­sens nie eine all­ge­mei­ne Ein­la­dung zur Kom­mu­ni­on aus­spre­chen. Auf der ande­ren Sei­te habe ich aus Respekt vor der per­sön­li­chen Gewis­sens­ent­schei­dung ein­zel­ner Chris­ten in fast 65 Pries­ter­jah­ren noch nie jemand, der zur Kom­mu­ni­on vor­ge­tre­ten ist, abge­wie­sen. Das ist inzwi­schen die in Deutsch­land ziem­lich all­ge­mei­ne, von den Bischö­fen weit­hin tole­rier­te pas­to­ra­le Pra­xis. Sie ist nicht per­fekt, aber man kann und muss damit vor­erst leben.

„Es gibt kei­ne Syn­oda­li­tät ohne Solidarität.”

Kardinal Kasper

So vie­le Deut­sche wie nie zuvor ver­las­sen der­zeit die katho­li­sche Kir­che, und – wich­ti­ger noch – es sind nun auch die Gläu­bi­gen, die Über­zeug­ten, die lan­ge das Rück­grat der Pfar­rei­en bil­de­ten. 30 Euro Gebühr und ein nicht ein­mal fünf­mi­nü­ti­ger Ver­wal­tungs­akt vor dem Amts­ge­richt und schon ist been­det, was ein Leben wich­tig war: die Mit­glied­schaft in der katho­li­schen Kir­che. Es ist eine Kern­schmel­ze im Gang. Ist die katho­li­sche Kir­che in Deutsch­land noch zu ret­ten?
Kar­di­nal Kas­per: Ohne Zwei­fel han­delt es sich um eine tie­fe Kri­se und um eine epo­cha­le geschicht­li­che Her­aus­for­de­rung. Die sach­ge­mä­ße Ant­wort ist eine Syn­ode, wel­che die Zei­chen der Zeit und die sehr kom­ple­xen Hin­ter­grün­de der Kri­se ana­ly­siert und unter Gebet hört, was der Hl. Geist als Inter­pret des Evan­ge­li­ums uns in die­ser Situa­ti­on zu sagen hat.

Die Kri­se und die Her­aus­for­de­rung sind zu groß, um sie allein mit struk­tu­rel­len Refor­men lösen zu kön­nen. Ohne Zwei­fel sind struk­tu­rel­le Refor­men nicht erst heu­te, son­dern immer not­wen­dig. Aber wir kön­nen uns nicht ein­bil­den, man kön­ne Kir­che ​„machen“. Die Erneue­rung muss aus einem inne­ren Wachs­tum von Glau­be, Hoff­nung und Lie­be kom­men. Wir müs­sen aus der ange­spro­che­nen Nebel­land­schaft her­aus­kom­men und das Evan­ge­li­um in sei­ner gan­zen Radi­ka­li­tät neu ent­de­cken und so neu Kir­che wer­den, wel­che die vie­len suchen­den jun­gen wie älte­ren Men­schen neu anzieht.

Dabei dür­fen wir in einer eins wer­den­den und doch hoch kon­flikt­ge­la­de­nen Welt nicht nur um unse­re deut­schen Pro­ble­me und Emp­find­lich­kei­ten krei­sen. Es gibt kei­ne Syn­oda­li­tät ohne Soli­da­ri­tät mit den vie­len Mil­lio­nen Men­schen, die hun­gern, vor Krieg, Gewalt und Natur­ka­ta­stro­phen auf der Flucht sind, die um ihres Glau­bens wil­len dis­kri­mi­niert und ver­folgt wer­den. Frau­en und Kin­der sind die ers­ten, wel­che unter sol­chen Situa­tio­nen unsäg­lich lei­den. Wir kön­nen bei unse­ren Syn­oden die him­mel­schrei­en­de Unge­rech­tig­keit in der Welt nicht aus­blen­den; sie bedroht den Welt­frie­den, auch den Frie­den bei uns in Europa.

In ​„Fratel­li tut­ti“, der Enzy­kli­ka von der sozia­len Geschwis­ter­lich­keit aller Men­schen, hat uns Papst Fran­zis­kus gezeigt, was Katho­lisch-Sein im 21. Jahr­hun­dert bedeu­tet. Wir kön­nen auf dem Ant­litz unse­rer lei­den­den Brü­der und Schwes­tern das Ant­litz Jesu Chris­ti neu erkennen.


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